Dass sich die Menschen mit dem Ruhrgebiet identifizieren, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Der Niedergang der Schwerindustrie seit den 1960er Jahren prägte aber lange das Lebensgefühl eher negativ. Als die Region noch qualmte und Feuer spuckte, war eigentlich kaum jemand stolz auf all die Stahlwerke und Zechen – sie flößten Respekt ein, waren ansonsten aber ein selbstverständlicher Bestandteil der Landschaft. Erst zur Industriekultur umgedeutet, wurden die riesigen Anlagen zu Erinnerungsorten vergangener Größe. Heute sind sie zu Wahrzeichen geworden, wie Andreas Rossmann in der FAZ einmal mit Blick auf die Zeche Zollverein festhielt: »Essen hätte kein Wahrzeichen oder ein ganz anderes, jedenfalls keins, das für die ganze Region steht und als Eiffelturm des Ruhrgebiets gilt.«
Nun sind Werke zum Ruhrgebiet erschienen, deren Format und Gewicht allein regionales Selbstbewusstsein bezeugen – jeweils vier Kilo schwer und dazu noch im Großformat: »Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet« und das zweibändige »Heimat Ruhr. Die Ruhr und das Ruhrgebiet«. Für »Der Pott« hat Achim Bednorz im Becher-Stil wichtige industriekulturelle Anlagen und Gebäude fotografiert. Eine vollständige Sammlung ist das Buch allerdings nicht. Es zeigt eher eine Auswahl der wichtigsten und repräsentativsten Bauten, deren Merkmale der ehemalige Denkmalpfleger Walter Buschmann in den historischen Zusammenhang einordnet. Im Mittelpunkt stehen Berg- und Stahlwerke, aber auch die wichtige Infrastruktur der Region mit ihren Brücken, Bahnhöfen, Wasserstraßen, Fabriken oder Kraftwerken.
Während »Der Pott« die Industriekultur als Bezugsrahmen der regionalen Identität präsentiert, stellt ein von Bodo Hombach herausgegebenes Buch den namensgebenden Fluss in den Mittelpunkt: In »Die Ruhr und ihr Gebiet. Leben am und mit dem Fluss« erkunden Autor*innen die »Heimat Ruhr«. Ein zweiter Band behandelt die Geschichte der Region und ihren Strukturwandel seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Insgesamt 52 Texte kommen zusammen – wissenschaftliche, journalistische, aber auch Reiseberichte. Und auch wenn das Werk kein Handbuch geworden ist, so genügen Artikel etwa von Michael Sell über die Flora und Fauna der Ruhr einem solchen Anspruch durchaus. Hinzu kommen feuilletonistische Stücke über Persönlichkeiten, Restaurants oder die Taufrituale einer Hattinger Kirchengemeinde. So entsteht eine unterhaltsame und umfangreich illustrierte Mischung – allerdings sind die Fehler in einigen Bildunterschriften ärgerlich.
Band zwei beschäftigt sich unter anderem mit Verkehr, Sport und Industrie. Die Geschichte des Steinkohlenbergbaus sowie der Hüttenindustrie wird anhand von Beispielen behandelt: den Anfängen des Bergbaus im Muttental und der Henrichshütte. Den Hinweis, dass beide für eine Vielzahl an Zechen und Hüttenwerken im Ruhrtal stehen, die teilweise bis in die 1970er Jahre in Betrieb waren, sucht man aber vergebens. Auch was »Heimat Ruhr« bedeutet, also aus welchen Elementen sich eine regionale Identität zusammensetzen könnte, bleibt offen –selbst eine repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa gibt darüber keinen Aufschluss. Gleichwohl gibt es mit über 800 Seiten viel Lesestoff – für vergleichsweise wenig Geld.
Achim Bednorz/Walter Buschmann: Der Pott. Industriekultur im Ruhrgebiet, 640 Seiten, Könemann Verlag, 39,95 Euro
Bodo Hombach (Hg.): Band 1: Heimat Ruhr. Fluss, Tal, Siedlung seit Anfang des 19. Jahrhunderts, 420 Seiten;
Band 2: Die Ruhr und das Ruhrgebiet. Fluss, Industrieregion, Strukturwandel seit Anfang des 19. Jahrhunderts, 408 Seiten, Aschendorff Verlag, 39,90 Euro